Journalist*innen sind täglich mit den Herausforderungen der Medienbranche konfrontiert und richten die Berichterstattung an ihrem Selbstverständnis aus. Welche Erwartungen und Kritikpunkte sie aufführen und entgegengebracht bekommen, wird regelmäßig untersucht.
Die Stichprobe
Fast die Hälfte der befragten Journalist*innen arbeitet im Print- (45 Prozent) und / oder Onlinebereich (53 Prozent). In den meisten Fällen sind die Befragten dabei festangestellt (64 Prozent) und arbeiten im Nachrichten-Ressort (283 Journalist*innen). Jedoch beschränkt sich die Arbeit vieler Befragten nicht nur auf ein einzelnes Ressort.
Bei mehr als einem Drittel der Befragten handelt es sich zudem um sehr erfahrene Journalist*innen, die schon mehr als 20 Jahre in diesem Beruf arbeiten (36 Prozent). Berufsanfänger*innen sind sehr selten vertreten.
Faktenorientiert und kritisch
Die Angaben der befragten Journalist*innen zu ihrem Selbstverständnis zeigen, dass sie sich für besonders wachsam halten. Aussagen, die einen realitäts- und faktenorientierten Journalismus zu Grunde legen, finden besonders viel Zustimmung. Aussagen, die den Journalismus hingegen als ein Sprachorgan der Politik sehen, werden deutlich abgelehnt.
Die höchsten Zustimmungen im Mittel erhalten die Aussagen „Meinungen von Fakten klar zu trennen“ (94 Prozent), „das Publikum möglichst neutral und präzise zu informieren“ (93 Prozent), „zur öffentlichen Meinungsbildung beizutragen“ und „Kritik an Missständen zu üben“ (jeweils 91 Prozent).
Die Aussage „die Regierungslinie zu unterstützen“ erhält hingegen gar keine Zustimmung (0 Prozent). Auch die Aussage „ein positives Bild von politischen Führungspersönlichkeiten zu zeichnen“ (1 Prozent) erhält fast keine Zustimmung. Der Vergleich mit den vermuteten Erwartungen des Publikums an die Journalist*innen zeigt zudem, dass die befragten Journalist*innen glauben, ihrer Rolle gerecht zu werden.

Trends und Entwicklungen
Die Befragten sollten angeben, für wie wichtig sie einzelne Items einer vorgegebenen Liste für die Zukunft des Journalismus halten. Die 23 Items wurden basierend auf den deutschsprachigen Publikationen zur Worlds-of-Journalism-Studie (Steindl et al., 2017; Hanitzsch et al., 2019) ausgewählt. Die Befragten konnten jeweils auf einer fünfteiligen Skala antworten. Die äußeren Skalenpunkte wurden für die Auswertung zu „nicht wichtig“ und „wichtig“ zusammengefasst.
Zu den abgefragten 23 Items gehören Trends und Entwicklungen, die den Journalismus innovativ verändert haben bzw. immer noch verändern: so zum Beispiel „Crossmedialisierung“ („wichtig“ sagen 84%), „Social Media“ (78%), „Möglichst präzises Bedienen von Zielgruppen“ (65%), „Algorithmische Nutzung personenbezogener Daten“ (34%) sowie „Schulung und Kenntnis der Suchmaschinenoptimierung“ (73%).
Interessiert hat uns dabei unter anderem die Frage: Gibt es Personengruppen, die ähnliche Antwortmuster und damit Vorstellungen von den relevanten Punkten für die Zukunft des redaktionell organisierten Journalismus entwickelt haben? Unterscheiden sich hier die Vorstellungen junger Journalist*innen von denen älterer Kolleg*innen?
Was in Zukunft wichtig wird
Bei der Frage, wie wichtig die befragten Journalist*innen bestimmte Aspekte in der Zukunft für den Journalismus finden, wird deutlich, dass sie vor allem „ausreichend Zeit für die Recherche von Geschichten“ (93 Prozent) und auch die regelmäßige Gelegenheit haben möchten, dieser Recherche außerhalb der Redaktion nachgehen zu können (88 Prozent).
Genauso wichtig ist ihnen dabei auch die „Beachtung ethischer Standards“ (93 Prozent) und die „Freiheit bei der redaktionellen Entscheidungsfindung“ (92 Prozent). Eine Boulevardisierung des Journalismus halten dagegen die wenigsten befragten Journalist*innen für wichtig oder zielführend (9 Prozent).

Aspekte der Digitalisierung
Des Weiteren sollten die Befragten angeben, wie sie Aspekte der Digitalisierung bewerten, die bereits Teil des innovativen Wandels im Journalismus sind (z.B. der sogenannte „Roboterjournalismus“, Social Bots und App-Push-Benachrichtigungen), und wie sich diese Aspekte ihrer Ansicht nach auf den Journalismus auswirken. Für die Antworten stand wieder eine fünfteilige Skala von „sehr negativ“ bis „sehr positiv“ zur Verfügung.
Es zeigt sich, dass jüngere Befragte (19-29 Jahre, n=129) technische Innovationen wie beispielsweise „Algorithmische Nutzung personenbezogener Daten“ eher für in Zukunft wichtig halten (37%) als ältere Befragte (55-80 Jahre, n=137) mit 21 Prozent. Ähnlich ist das Bild bei „Social Media“ (86% vs. 67%).
Bei der Bewertung bestimmter Aspekte der Digitalisierung zeigt sich eine erhebliche Skepsis der Befragten gegenüber dem Roboterjournalismus (77% negativ) und Social Bots (84% negativ). Geringer ist die Skepsis bei personalisiertem Journalismus (25% negativ) und App-Push-Benachrichtigungen (26% negativ), wobei sich allerdings auch keine Euphorie zeigt (41% bzw. 38% positiv).
Ähnlich wie bei den Digitalisierungsaspekten zeigen sich bei der Bewertung der Digitalisierungs-Items Unterschiede zwischen jüngeren (19-29) und älteren (55-80) Journalist*innen: Alle vier Items werden von den Jüngeren weniger negativ bewertet als von den Älteren (z.B. Roboterjournalismus 68 vs. 77%, App-Push-Benachrichtigungen 19 vs. 26%).
Wie glaubwürdig ist der Journalismus?
Nach der Glaubwürdigkeit des Journalismus in Deutschland gefragt, geben 87 Prozent der Journalist*innen an, dass dieser eher glaubwürdig oder sehr glaubwürdig sei. Dennoch vermuten Sie, dass dies nicht die Einschätzung des breiten Publikums sei. Die befragten Journalist*innen gehen davon aus, dass fast ein Drittel des Publikums (29 Prozent) den Journalismus in Deutschland nicht für glaubwürdig hält.

Erwartungen
Befragt wurden die Journalist*innen drittens auch zu ihren Erwartungen an den Beruf und viertens zu den von ihnen vermuteten Erwartungen des Publikums. Die Auswahl der 21 Items basierte hier unter anderem auf vorausgegangen Untersuchungen von Weischenberg et al. (2006) und der Worlds-of-Journalism-Studie (Hanitzsch et al., 2019). Hier arbeiten wir heraus, ob die Haltungen zu Innovationsthemen mit den Erwartungen an den Journalismus korrelieren.
Die Ergebnisse zeigen, dass es deutliche Unterschiede in der Bewertung relevanter Faktoren für die Zukunft des Journalismus gibt. So ist es für die Umsetzung von Innovationsprozessen zum Beispiel wichtig zu wissen, dass jüngere Journalist*innen Entwicklungen und Innovationen anders bewerten als ältere Journalist*innen.
Die Haltungen zu Innovationen im Journalismus korrelieren zu Teilen mit dem beruflichen Selbstverständnis der Journalist*innen. Dies wiederum ist über den Gesichtspunkt der Innovationen hinaus relevant für die zukünftige Entwicklung des Journalismus und wird durch den Beitrag zur Diskussion gestellt.
Rahmendaten

Teilnehmer*innen
An der Befragung nahmen 752 Journalist*innen teil, davon rund 47 Prozent Frauen, 52 Prozent Männer und knapp 1 Prozent divers (dazu zwei Teilnehmer*innen, die keine Angabe machten). Der Altersdurchschnitt lag bei 42 Jahren.

Befragung
Es handelte sich um eine quantitative Online-Befragung, die über das Tool „Unipark” durchgeführt wurde. Es wurden überwiegend geschlossene Fragen gestellt.

Zeitraum
Die Umfrage lief insgesamt vier Monate, vom 18. März bis zum 18. Juli 2019. Der Umfragelink hat die Teilnehmer*innen per E-Mail erreicht.